Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit Functional Training und das aus gutem Grund. Am vergangenen Wochenende kamen bereits zum 12. Mal die nationalen und internationalen Experten auf diesem Gebiet beim Functional Training Summit 2019 (https://www.ft-summit.de/) in Grünwald zusammen.

Functional Training – Was steckt dahinter?

Funktionell bedeutet, dass etwas einen Zweck oder Sinn hat, sprich funktionelles Training ist ein zweckgebundenes Training. Dabei ist wichtig, dass funktionelles Training weniger sportartspezifisch, sondern vielmehr als allgemeines sportliches Training zu sehen ist. Die meisten Sportarten zeichnen sich sowieso durch mehr Ähnlichkeiten als durch Unterschiede aus.

„Eingelenkige Bewegungen, die einen speziellen Muskel isoliert beanspruchen, sind als unfunktionell zu bezeichnen. Funktionelle Bewegungsformen integrieren immer mehrere Muskeln und Muskelgruppen gleichzeitig.“
aus: Gambetta und Gray 2002: Michael Boyle: Functional Training.

Im funktionellen Training lernt der Athlet, mit seinem eigenen Körpergewicht zu arbeiten. Dieses setzt er als Widerstand ein und startet mit einfachen Grundübungen. Zudem wird Balance und Propriozeption (Eigenwahrnehmung der Muskeln, Sehnen und Gelenke) durch einseitige und einbeinige Übungen integriert, um Stabilität aufzubauen.

Die Grundübungen des funktionellen Trainings, bei denen entsprechend Flexion (Beugung), Extension (Streckung), Ab- und Adduktion (Abspreizen und Heranführen) sowie Rotation zum Einsatz kommen, können wie folgt unterteilt werden:

  • Drückbewegung (horizontal/ vertikal, uni-/bilateral)
  • Zugbewegung (horizontal/ vertikal, uni-/bilateral)
  • Kniedominate Bewegung (uni-/bilateral)
  • Hüftdominante Bewegung (uni-/bilateral)

Ziel ist es, das Körpergewicht auf allen Bewegungsebenen (Sagittal-, Frontal- und Transversalebene) zu kontrollieren. Daneben spielen die kinetischen Ketten und die funktionelle Anatomie eine größere Rolle wie z.B. isolierte Flexion oder Extension.

In dem vielleicht einfachsten Beispiel des Laufens arbeiten alle Muskeln der unteren Extremitäten zusammen. In der Landephase wird jedoch die Bewegung (hier: Beugung in Fuß-, Knie- und Hüftgelenk) abgebremst, in der Schwungphase die Bewegung (hier: Streckung in Fuß-, Knie- und Hüftgelenk) eingeleitet.

Wichtigkeit der Stabilisatoren

Die Hauptfunktion bestimmter Muskeln und Muskelgruppen ist Stabilisation. Hier ist es wichtig, diese Funktion zu unterstützen oder weiter auszubauen, was durch das funktionelle Training in Form von einfachen Übungen mit kleinen Bewegungsradien geschieht. Die wichtigsten Stabilisatoren sind:

  • Tiefe Bauchmuskulatur
  • Hüftabduktoren und –rotatoren
  • Schulterblattstabilisatoren

Es muss ein Trainingsprogramm entwickelt werden, welches den Athleten spezifisch auf die Anforderungen der entsprechenden Sportart vorbereitet. Dieses Programm muss Übungen beinhalten, die die Muskeln genauso trainieren, wie sie im sportlichen Alltag benötigt werden. Das ist das Ziel des funktionellen Trainings. Das Training soll jedoch auch dazu dienen, Bewegungsabläufe zu verbessern, nicht bloße Kraft aufzubauen.

Nutzen von Kleingeräten

Durch das Training von Bewegungsketten rückte Maschinentraining eher in den Hintergrund, da hier zumeist die Stabilisation durch z.B. Sitzposition bzw. das Gerät übernommen wird, ebenso wird am Gerät in der offenen Kette trainiert und die Propriozeption bleibt auf der Strecke. In diesem Zuge entstanden diverse Kleingeräte und Fitnesstools, von Gymnastikball und Gummiband über instabile Unterlagen bis Kettlebell und TRX-Band. Jeden Tag kommen neue ‚Werkzeuge‘ auf den Markt. Welche hier wirklich nützlich sind, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Die Übungen  mit diesen Hilfsmitteln sollen die Kraft, Schnellkraft, Balance und Stabilität der Athleten verbessern und damit die Verletzungsanfälligkeit mindern. Nichtsdestotrotz geht die Mobilität mit der nun mehrfach angesprochenen Stabilität einher. Mobilität ist vielmehr der erste Baustein, der ausreichend vorhanden sein sollte, um über den folgenden Aufbau von Stabilität zu mehr Leistung zu gelangen.

Functional Training Summit 2019 – Was sind die aktuellsten Themen?

Begonnen wurde der Functional Training Summit am Abend des 20.06.2019 mit der Pre-Conference. Dr. Eric Cobb, Gründer und Entwickler von Z-Health® Performance Solutions, gab in seinem Vortrag „Breathing, Rehabilitation and Performance – the Neural Link“ einen Einblick zur Anwendung von Neurologie in der Bewegungswissenschaft und deren Einsatz zur Erlangung schneller positiver Veränderungen im Rahmen von Rehabilitation, Fitness und sportlicher Leistung. In Deutschland dürfte das Thema vor allem durch den anerkannten Trainer und Ausbilder Lars Lienhard bekannt sein, der ebenso Vorträge und Workshops zum Thema Neuroathletik hielt.

Der Sportwissenschaftler verhalf z.B. Lina Lückenkemper zum Sprung in die Sprint-Weltspitze. Diese lässt er u.a. schielen, summen mit Zungekreisen oder an Batterien lecken. Einfach gesagt wird der sensorische Input, sprich z.B. ein Ton oder ein Bild, vom Gehirn und zentralen Nervensystem aufgenommen und verarbeitet, um einen motorischen Output zu erzeugen, sprich z.B. ein Ausweichen oder eine Kniebeuge.

„Jeder Sinneseindruck – aus den Augen, unserem Gleichgewichtssystem oder aus den Muskeln und Gelenken – läuft durch den Körper ins Gehirn und wird dort in verschiedene Areale geleitet, die diese Information verarbeiten und auswerten. Die Signale, die entstehen, wenn sich die Augen kreuzen, gehen vor allem in das Mittelhirn. Das Mittelhirn ist sehr wichtig, weil es unter anderem visuelle und akustische Informationen verarbeitet und mit anderen sensorischen Reizen integriert. Diese Integrationsprozesse sind wichtig für eine optimale Stabilität von Kopf und Nacken sowie eine gute Regulierung der muskulären Tonusmuster. Vereinfacht: Mit dem Schielen aktivieren wir einen Mittelhirnbereich, von dem aus wichtige Reflexe starten sowie muskuläre Spannung reguliert wird.“
Lars Lienhard

Neben der Neuroathletik war natürlich das Thema „Gesunde Beweglichkeit“ in vielen Vorträgen und Workshops das Thema. Durch das vermehrte Sitzen und den Bewegungsmangel in unserer Gesellschaft gehen Mobilität, Stabilität und Flexibilität mehr und mehr verloren. Jedoch benötigen wir Mobilität, um eine entsprechend gewünschte Bewegung im vollen Bewegungsradius auszuführen und Stabilität, um eine entsprechend unerwünschte Bewegung zu vermeiden.

Um diese Aspekte beim Kunden zu testen, spielt der standardisierte Functional Movement Screen (FMS) eine große Rolle. Mit diesem können innerhalb 7 Bewegungsmuster Dysbalancen und Asymmetrien des Bewegungsapparats identifiziert werden. Eberhard Schlömmer, offizieller Ausbilder des FMS, erläuterte u.a. mit dem Mitbegründer des FMS, Dr. Lee Burton, die neuesten Sachverhalte dazu. Ebenso zeigte Wolfhard Savoy auf, wie mit dem System Dysfunktionen erkannt, unterschieden und eingeteilt werden können.

Der Mobility-Coach Benjamin Heizmann widmete einen Vortrag der Schulter. Darin erklärte er, wie man über einen 5-Schritte-Ansatz zu mehr Kraft, Beweglichkeit und Stabilität gelangt. Vorab wurden die fünf Bausteine genannt, welche für den Bewegungsradius verantwortlich sind: Wirbelsäule, Stabilität, Schulterblatt/Rotatorenmanschette, Gelenkkapsel/Bizepssehne, Wissensvermittlung. Diese werden je nach entsprechendem Schritt abgedeckt: BWS-Mobilisation und Atmung, Scapula Push-Ups, Schwimmer (Varianten), Schulter-Extension, Crossbody (PAILs/RAILs).

In einem zweiten Vortrag zum Rotational Rehab vermittelte der Mobility-Coach, wie es durch Rotationsbewegungen zu gesunden Gelenken kommen kann. Hier wurden praktische Übungen zu Rotationen im Sprunggelenk, im Knie, in Hüfte, in Schulter, in Ellbogen und im Handgelenk angeleitet.

Ein weiteres Highlight waren u.a. die Morgen-Sessions mit Dr. Kelly Starrett, dem Trainer und promovierten Physiotherapeuten, welcher den Bestseller ‚Werde ein geschmeidiger Leopard‘ geschrieben hat. Darin zeigt er seine revolutionäre Herangehensweise an Beweglichkeit und den Erhalt der Leistungsfähigkeit und liefert den Masterplan für effektive und sichere Bewegungsabläufe in Sport und Alltag. Der Kern, warum Athleten oftmals nicht ihre vollständige Leistungsfähigkeit abrufen können, liegt in fehlerhaften Bewegungsmustern, welche den Körper blockieren können.

Das seit mehreren Jahren in aller Munde befindliche Thema Faszientraining war natürlich ebenso nicht aus dem Functional Training Summit wegzudenken. Berengar Buschmann und Dennis Krämer zeigten den korrekten Umgang mit Faszienrolle und –ball sowie die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet. Weiter gaben die beiden tiefe Einblicke in die Haut und erläuterten die bisher bekannten Faszienlinien sowie funktionelle Anatomie mit faszialen und respiratorischen Zwischenwänden. Im Gym auch der Stand von TMX Trigger, der wie bekannt unter dem Motto stand: ‚Rollst du noch oder triggerst du schon?‘.

Daneben noch viele weitere Themen und Ansätze wie z.B. Animal Athletics von Dr. Fabian Allmacher, der zurück zu den natürlichen Bewegungen geht. Hier werden basierend auf Tierbewegungen Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit trainiert und bieten dementsprechend alles, was zu einem leistungsfähigen Körper gehört.

Fazit

Perform Better hat erneut einen wahnsinnig informativen und bereichernden Summit mit Top-Experten auf die Beine gestellt. Das Rahmenprogramm mit Ausstellern und Drumherum nur zu empfehlen, wenn man die Themen Fitness und Gesundheit sowie Functional Training ernst nimmt.

„Wer mehr weiß, kann mehr bewegen.“
Benjamin Heizmann, Mobility-Coach

Ich freue mich bereits jetzt auf nächstes Jahr und auf zukünftig neue interessante und spannende Themen in diesem Bereich sowie den Austausch mit den Top-Experten.

Bleib schmerzfrei, mobil und BEWECT 🙂

BEWECTe Grüße
Dein Benjamin

Quellen
M.Boyle: Functional Training. riva Verlag. 2017.
K.Starrett: Werde ein geschmeidiger Leopard. riva Verlag. 2016.
Manual des Functional Training Summit 2019
https://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/fitness/neuroathletik-mit-training-des-gehirns-die-leistung-verbessern_id_10489268.html