Immer wieder gibt es wilde Diskussionen um das Dehnen. Soll man dafür Zeit aufwenden oder eher nicht? Und wenn ja, wann? Vor dem Training oder danach? Welche Dehnmethoden existieren überhaupt? Gibt es ein „Richtig“ oder „Falsch“ beim Dehnen?… Die Fragen lassen erahnen, dass dieses Thema komplexer ist.

Definition Dehnfähigkeit – was ist das überhaupt?

Dehnfähigkeit bildet definitionsgemäß zusammen mit Gelenkigkeit die sportmotorische Fähigkeit Beweglichkeit. Die Dehnfähigkeit des aktiven Bewegungsapparats (Muskeldehnfähigkeit) wird geprägt durch die Nachgiebigkeit der Muskel-Sehnen-Einheit gegenüber äußeren dehnenden Kräften. Zum aktiven Bewegungsapparat zählen neben der Skelettmuskulatur deren Hilfsorgane wie Faszien, Sehnen, Sehnenscheiden und Schleimbeutel.

Die Muskeldehnfähigkeit ermöglicht dem muskulären System, die von der Gelenkigkeit zugelassenen Grenzen der Gelenkreichweite auszuschöpfen. Der vom gedehnten Muskel abgegebene Dehnungswiderstand (Muskeldehnungsspannung) steigt mit zunehmender Gelenkreichweite. Die Bewegungsamplitude bzw. der Bewegungsumfang, sprich die Range Of Motion (ROM), wird ausgelotet. Die aktive Beweglichkeit umfasst den größtmöglichen Bewegungsradius, der durch Muskelkontraktion erreicht werden kann. Die passive Beweglichkeit umfasst dagegen den größtmöglichen Bewegungsradius, der durch die Einwirkung äußerer Kräfte (z.B. Partner oder Gewichte) erreicht werden kann. Die passive Beweglichkeit ist immer größer als die aktive Beweglichkeit.

Vor einer Verletzung (z.B. Überdehnung, Zerreißung) hilft die Schutzmaßnahme des Muskels, der sogenannte Muskelspindelreflex. Zwischen den Muskelfasern befinden sich parallel angeordnete Strukturen, die sogenannten Muskelspindeln. Dies sind Propriozeptoren, die der sensiblen Erfassung der Länge des Skelettmuskels dienen. Die Muskellänge und –spannung wird ständig registriert und kontrolliert, wobei diese Sensoren verschieden eingestellt sein können. Eine Erklärung für die unterschiedliche Beweglichkeit zu verschiedenen Tageszeiten, nach sehr intensivem Training oder bei Ermüdung. Diese Soll-Werte können durch stetiges Training angepasst bzw. verbessert werden.

Dazu befinden sich in den Sehnen weitere Rezeptoren, die sogenannten Golgi-Organe (Sehnenspindeln), welche ebenso als Schutzmaßnahme vor Zerreißen des Muskels bzw. des Muskelansatzes dienen. Wird der Muskel über seine Soll-Werteinstellung hinaus zu schnell gedehnt, melden die Muskelspindeln dies über den sensorischen Nerv über das Hinterhorn und Rückenmark an das Gehirn. Dort wird ein Befehl zur Kontraktion gegeben, welcher zurück über das Vorderhorn und dem motorischen Nerv zu den motorischen Einheiten weitergeleitet wird. Die Folge ist eine Kontraktion des Muskels zum Schutz gegen die zu starke Überdehnung. Je stärker und ruckartiger die Dehnung ist, desto stärker ist auch die reflektorische Kontraktion des Muskels.

Es bestehen zudem leistungsbestimmende Faktoren, welche sich in endogen und exogen aufteilen:

  • Endogene Faktoren: anatomische, (neuro-)physiologische und psychische Parameter
  • Exogene Faktoren: Tageszeit, Außentemperatur und äußere Kräfte

Die kleinste kontraktile Einheit des Muskels ist das Sarkomer. Die Sarkomere bilden sich u.a. durch die Filamente Aktin und Myosin. Neben diesen Filamenten gibt es ein weiteres, das sogenannte Titin-Filament, was ebenso am Aufbau der Sarkomere beteiligt ist. Das Titin ist elastisch im Gegensatz zu den plastischen Aktin- und Myosinfilamenten und hat eine Fixierfunktion des Myosins. Man kann sich dieses Titin wie einen „Gummi“ vorstellen, was die Ruhespannung hervorruft.

Formen des Dehnens

Bei den Dehnmethoden unterscheidet man sowohl dynamische von statischen Methoden sowie aktive von passiven Methoden. Die dynamischen Methoden unterteilen sich in Schwungformen und federnde Bewegungen. Bei den Schwungformen sind die Geschwindigkeit und die Amplitude größer, bei den federnden Varianten handelt es sich um kleine kontrollierte Bewegungen am Dehnpunkt. Statisch bedeutet dagegen, dass der Muskel in der gedehnten Position gehalten wird.

Eine aktive Dehnmethode bedient sich des Antagonisten (Gegenspieler des zu dehnenden Zielmuskel), welcher durch die Kontraktion die Dehnung des Zielmuskels unterstützt. Dagegen erfolgt die passive Dehnung durch einen Partner, ein Gerät oder die Schwerkraft.

Am bekanntesten ist wohl das klassische statisch-passive Dehnen. Durch vorstehende Ausführungen wird klar, dass daneben noch weitere Dehnmethoden bestehen, welche nachfolgend vorgestellt werden:

  1. Statisch-passives Dehnen
    – Langsames Heranarbeiten an Grenze der Dehnbelastungsfähigkeit
    – Keine Auslösung des Muskelspindelreflexes- Halten der Position
    – Wichtigkeit des subjektiven Belastungsempfindens
    Nachteile: hoher Blutstau und schlechtere Regeneration
    Neutral: kurzzeitige Senkung der Leistungsbereitschaft durch Entspannen der Muskulatur, Verstärken durch Dauer der Dehnung (ggf. Verletzungsgefahr bei Belastung, falls Dehnen vor Belastung weit über 30 Sekunden)
    Vorteil: Entspannung, reduzierter Muskeltonus
  2. Statisch-aktives Dehnen
    – Durchführung wie bei 1., nur unter Zuhilfenahme des Antagonisten der Zielmuskulatur
    – Ausbleiben des Muskelspindelreflexes (antagonistische Hemmung)
    – Ausbleiben eines Leistungsabfalls bei jederzeitig abwechselnden Dehnung des Agonist und Antagonist durch wechselseitiges Anspannen und Dehnen
    Nachteile: mittlerer Durchblutungsstau
    Neutral: Koordinativ anspruchsvoll und meist Begrenzung durch die Schwäche des Antagonisten
    Vorteil: Steigerung der aktiven Beweglichkeit
  3. Statisch-progressives Dehnen
    – Durchführung wie bei 1.
    – Vertiefen der Dehnintensität bei deren Nachlassen (Nachsinken)
    – Kontinuierliches Verstärken des Dehnreizes und Halten der Dehnintensität
    Nachteile und Vorteile ähnlich wie unter 1.
  4. Statisch-bewegtes Dehnen
    – Durchführung wie bei 1.
    – Verändern des Dehnbereichs stetig immer nach ca. 10 Sekunden durch kleine Bewegung
    – Zusätzliche Dehnung weiterer Muskelfasern durch die Gelenkwinkelveränderungen
    – Umfassender Dehnreiz
    – Unterscheidung vom dynamischen Dehnen durch Langsamkeit der ausgeführten Bewegungen
    Nachteile und Vorteile ähnlich wie unter 1., jedoch bessere Durchblutungssituation und somit auch bessere Regeneration
  5. Dynamisch-passive Schwungformen
    – Passives schnelles Aufdehnen des Zielmuskels mit 5 bis 12 Wiederholungen und mehreren Sätzen
    – Bekanntheit unter Turnvater Jahn (Zuerst wegen Auslösung des Muskelspindelreflexes als ineffektiv verdammt, nach jüngeren Studien wieder vermehrte Akzeptanz wegen deutlich verbesserter Dehnbelastungsfähigkeit)
    – Wichtigkeit der behutsamen Ausübung
    Nachteil: Verletzungsrisiko
    Vorteil: kein Blutstau, keine Absenkung der Leistungsfähigkeit des Muskels wegen Reflexauslösung (Aktivierung)
  6. Dynamisch-aktive Schwungformen
    – Durchführung wie bei 5., jedoch nur 3 bis 5 Wiederholungen mithilfe des Antagonisten des Zielmuskels und mit positiven Aspekten der antagonistischen Hemmung
    Nachteil: sinkende Verbesserung der Dehnbelastungsfähigkeit, koordinativ anspruchsvoll
    Vorteil: reduzierte Verletzungsgefahr durch aktive Durchführung, kein Blutstau, keine Absenkung der Leistungsfähigkeit des Muskels wegen Dynamik und Aktivierung
  7. Dynamisch-passives Federn
    – Kleine Amplituden für Erreichen der Grenze der Dehnbelastungsfähigkeit mit langsamen kontrollierten Bewegungen ohne Auslösung des Muskelspindelreflexes
    Nachteil: geringere Erfolge als bei 5.
    Vorteil: reduzierte Verletzungsgefahr als bei 5., kein Blutstau
  8. Dynamisch-aktives Federn
    – Durchführung wie bei 7., jedoch wieder mithilfe des Antagonisten des Zielmuskels und mit positiven Aspekten der antagonistischen Hemmung
    Nachteil: sinkende Verbesserung der Dehnbelastungsfähigkeit, koordinativ anspruchsvoll
    Vorteil: reduzierte Verletzungsgefahr als bei 5., Verbesserung der aktiven Beweglichkeit
  9. PNF-Techniken (Propriozeptive Neuromuskuläre Faszilitation)
    – Ursprünglich aus der Rehabilitation- Kombinationen von Anspannung, Entspannung und Dehnen von Agonist und Antagonist, dadurch verschiedene Formen wie AC (Antagonist-Contract), CR (Contract-Relax), CRAC (Contract-Relax-Antagonist-Contract)
    – CR ebenso unter AED (Anspannungs-Entspannungs-Dehnen) oder CHRS (Contract-Hold-Relax-Stretch) bekannt
    Vorgehensweise bzw. Wirkungsweise auf Dehnreflexe von Sehnen- und Muskelspindeln:
    1. CR-Dehnen: Hemmende Wirkung der Sehnenspindeln auf den Dehnungsreflex (autogene Hemmung) durch maximale isometrische Kontraktion des Zielmuskels vor Dehnung
    2. AC-Dehnen: Antagonistische Hemmung des Zielmuskels (Muskelspindelreflex) durch isometrische Kontraktion des Antagonisten während Dehnung
    Nachteil: mittlerer Blutstau, nur mit Partner, anstrengend
    Vorteil: keine muskuläre Leistungssenkung, Herabsetzen der Verletzungsgefahr, keine Auslösung des Muskel- und Sehnenspindelreflex

Zusammenfassend zeigen alle Dehnmethoden sowohl Vor- und Nachteile auf. Hier eine Methode als besonders herauszustellen, fällt schwer. Ebenso ist die Studienlage teilweise widersprüchlich. Zudem müssen stets die Motive und Hintergründe sowie der Zeitpunkt des Dehnens betrachtet werden. Damit haben alle Methoden ihre Berechtigung im Training.

Zeitpunkt des Dehnens

Vor einer eher schnellkräftigen Belastung zu dehnen, bedeutet das Vorbereiten auf die Aktivität und den Erhalt der Leistungsfähigkeit. Hier wäre u.a. langes statisch-passives Dehnen kontraproduktiv. Dagegen erhält man mit dynamischen Methoden die Leistungsfähigkeit. Ein typisches Beispiel wäre ein Sprinter oder Schwimmer, welcher zu meist dynamisch(-aktive) Dehntechniken ins Mobilisations- und Aktivierungsprogramm einbaut.

Nach der Belastung zu dehnen, wird dazu genutzt, um sich zu entspannen und die Beweglichkeit zu erhalten. Hier wären statisch-passive Dehnmethoden oder/und dynamisch-passives Federn angebracht. Nach einer intensiven Belastung sollte ein Dehnprogramm jedoch wohl überlegt sein, da dies den Effekt der vorgeschädigten Muskelfasern durch Mikrorisse, sogenannte Mikrotraumata, ggf. noch verstärken würde. Viel eher ist hier ein lockeres Auslaufen zu bevorzugen, ebenso kurz nach der Einheit Kälte, z.B. durch ein kaltes Abbrausen oder die mittlerweile bekannte „Eistonne“. Dadurch wird die Ödembildung reduziert und in der Folge die Mikrotraumata in den Muskeln schneller gelindert. Ein ausgiebiges Dehnprogramm oder auch myofasziales Training sollte besser anderentags durchgeführt werden.

Das Nachdehnen ist nach Recherche ein komplexeres und viel diskutiertes Thema, gerade im Hinblick auf die Regeneration. Ob es sich positiv oder negativ auf die Regeneration auswirkt, hängt in der Tat ebenfalls von der Ausführung ab. Um die Erholungsfähigkeit des Körpers zu verbessern, muss beim Dehnen berücksichtigt werden, dass die Mikrorisse, die Muskelkater verursachen können und deren Reparatur zu Muskelwachstum führt, nicht weiter vergrößert werden. Zumeist liegt der Sinn des Nachdehnens auch in der Anregung der Durchblutung. Aus diesem Grund dehnt man nach der Belastung bewegt-statisch, dynamisch-passiv oder –aktiv mit leichter, bestenfalls mittlerer Belastung.

Unterscheiden der Sportart

Weiter werden die Dehnmethoden nach den zugrundeliegenden Sportarten unterschieden. Eine sehr hohe Beweglichkeit ist das A und O für Turner, rhythmische Sportgymnasten sowie für die meisten Kampfsportler. Deshalb gehört hier Dehnen im Rahmen des Aufwärmprogramms zum Standard. Bei einem Sprinter hätte dagegen ein statisches Dehnen vor der Belastung kontraproduktiven Charakter, da dieser seine Maximal-, Schnell- und Explosivkraft benötigt. Nach dem kurzen Dehnen innerhalb des Aufwärmprogramms sollten Spielsportler aktivierende Methoden wie Sprints durchführen, um die Belastung optimal vorzubereiten. Eine nachhaltige Senkung der Muskelspannung wird nach neueren Studien erst bei Dehnen über 60 Sekunden bemerkbar.

Daneben gibt es Sportarten bzw. (Entspannungs-)trainings, deren Schwerpunkt auf der Beweglichkeit liegt. Darunter die Klassiker wie Yoga, Pilates, Qi Gong, Tai Chi und weitere auch neue Trends. Gerade in unserem zumeist angespannten Alltag und als Ausgleich neben anderen Sportarten sind dies nicht nur unterstützende Varianten, um uns ganzheitlich fit und gesund zu fühlen, sondern erhalten mittlerweile neben Progressiver Muskelrelaxation (PMR) und Meditation einen festen und zentralen Platz im Gesundheits- und Fitnesstraining.

Atmung

Mittlerweile gewinnt die Atmung in Zusammenhang mit Bewegung einen höheren Stellenwert. Um die Dehnfähigkeit zu erhöhen und damit auch die Beweglichkeit, ist es unerlässlich die Atmung zu synchronisieren. Dies lässt einen gewissen Zwang und zu hohe Anspannung reduzieren. In der Folge steigert sich die Entspannung und der Muskeltonus wird verringert.

Ein Atemrhythmus von 4 bis 8 Sekunden hat sich in der Praxis bewährt. Mit dem Ausatmen begibt man sich in die Dehnposition, danach kurz den Atem anhalten und wieder ruhig einatmen. Beim Einatmen ist es ohne weiteres möglich, geringfügig aus der Dehnposition zu gehen, um sich danach mit der Ausatmung wieder in diese zu bewegen. Nach mehreren Atemzügen sollte der Bewegungsumfang der Dehnposition stetig zunehmen.

Mythen über das Dehnen

  1. „Dehnen beugt Muskelkater vor bzw. hilft bei diesem.“
    Bei einem akuten Muskelkater sollte eher nicht gedehnt werden. Intensive Dehnreize können die feinen Faserrisse, die bereits angesprochenen Mikrotraumata, in den muskulären Strukturen noch zusätzlich verstärken. Zudem gibt es keine Studienhinweise, dass bei Dehnen vor dem Sport kein Muskelkater auftreten würde.
  2. „Dehnen vor dem Sport schützt vor Verletzungen.“
    Es gibt keinen wissenschaftlichen Hinweis, dass ein gedehnter Muskel für Verletzungen weniger anfällig ist. Dennoch sind spezielle Dehnübungen vor einer sportlichen Belastung im Sinne einer Verletzungsprophylaxe sinnvoll. Ebenso hilft ein langfristiges und kontinuierliches Dehnen bei mittleren bis großen Bewegungseinschränkungen, gerade ein Dehnen der durch den zunehmenden Bewegungsmangel verkürzten Muskelgruppen (z.B. Hüftbeuger, Nacken).
  3. „Dehnen in der Serienpause eines Krafttrainings ist sinnvoll.“
    Nach ausbelastenden Sätzen bleiben Kontraktionsrückstände (noch kontrahierte Muskelfasern), die durch Dehnen nicht ohne Schädigung gelöst werden können. Dehnen setzt eher den Tonus herunter (bei statischem Dehnen) bzw. vermindert die Leistungsfähigkeit.
  4. „Dehnen steigert die Leistung.“
    Es gibt bisher keine wissenschaftlichen Belege, dass die Leistung verbessert wird. Im Gegenteil, in vielen Studien verringerte passiv-statisches Dehnen die Maximalkraft deutlich und die Schnellkraft reduzierte sich ebenso. Im Vergleich hat dynamisches Dehnen keinen negativen Einfluss auf die Maximal- und Schnellkraftleistung. Wenn individuelle Bewegungseinschränkungen bestehen oder eine Sportart mit hohen Flexibilitätsanforderungen betrieben wird, sollten daher primär aktiv-dynamische Dehnmethoden z.B. Movement Preps (angesprochen im Blog-Beitrag myofasziales Training) verwendet werden. Die aus dem Dehnprogramm resultierende verbesserte Beweglichkeit kann ggf. zu einer Leistungssteigerung führen.
  5. „Dehnen verlängert verkürzte Muskeln wieder.“
    Wenn man von „verkürzter“ Muskulatur spricht, ist dies im sportphysiologischen Kontext nicht korrekt. Die Länge eines Muskels ist bei jedem genetisch festgelegt. Eher ist damit gemeint, dass der Tonus ein anderer ist, dass es sich um Verspannungen handelt oder im Zusammenspiel mit Faszien die Geschmeidigkeit des Systems nicht gegeben ist. Ein myofasziales Training kann hierbei unterstützen.

Was ist nun das Fazit

Gesichert ist, dass ein regelmäßiges Dehnprogramm die Beweglichkeit erhält bzw. verbessert und die Dehnbelastungsfähigkeit erhöht, was vor allem für weniger bewegliche Personen und für Sportler je nach Sportart von Vorteil ist. Eine Verletzungsprophylaxe ist zwar nicht wissenschaftlich belegt, jedoch bereitet u.a. das aktiv-dynamische Dehnen die Muskulatur sowie die passiven Strukturen des Körpers wie Sehnen, Bänder und Knorpel auf die bevorstehende Belastung vor. Eine Verbesserung der inter- und intramuskulären Koordination ist die Folge, genauso eine Erhöhung der Durchblutung der Muskulatur. Dadurch kommt es zu einer Steigerung der Muskeltemperatur, was das Dehnen zu einem nicht unwesentlichen Bestandteil des Aufwärmprogramms macht. Gerade nach einer Anstrengung kann das Dehnen die Entspannung unterstützen, indem der Muskeltonus durch ein entsprechendes Dehnprogramm heruntergesetzt wird.

Wichtiger Punkt – was in vielen Quellen und Studien bis dato leider weniger berücksichtigt wird – ist das Zusammenspiel der Muskulatur mit den Faszien sowie mit Sehnen und Bändern. Liegen Verklebungen in den Faszien vor, so können diese zuerst mit einer Faszienrolle gelöst werden. Danach kann man sein Dehnprogramm folgen lassen. Nur ein Dehnprogramm würde den Effekt der Verklebungen verstärken, was man sich gut durch ein Gummiband mit Knoten vorstellen kann, d.h. erst Knoten lösen, dann in die Länge ziehen. Weitere Informationen finden sich beim myofaszialen Training.

Bei den Aussagen zu kurzfristigen und langfristigen Folgen des Dehnens sind sich mehrere Studien einig, dass regelmäßige Dehneinheiten gut für Beweglichkeit, Fitness und Gesundheit sind. Zu vermeiden sind jederzeit ruckartige Bewegungen, was insbesondere bei dynamischen Dehntechniken auftreten kann.

Daneben müssen muskuläre Ungleichgewichte betrachtet werden. Bestimmte Muskelgruppen neigen zur Verkürzung, während andere Muskeln häufig abgeschwächt sind. Zudem können einseitige Belastungen bei bestimmten Sportarten das Gleichgewicht zwischen Agonisten und Antagonisten oder zwischen Muskeln der rechten und der linken Seite stören. Das Thema der muskulären Dysbalance muss jedoch aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden, da der Grund für das Ungleichgewicht nicht unbedingt ein hoher Tonus (Spannung) eines Muskels und damit die Muskelverkürzung sein muss. Die muskuläre Dysbalance könnte ggf. auch eine für das Gesamtsystem sinnvolle Reaktion auf eine lokale Störung eines Gelenksystems darstellen. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise ist deshalb angebracht.

Abschließend sind noch einige Grundregeln zum Dehnen zu nennen, unabhängig von der Wahl der entsprechenden Methode:

  • Mind. 5-minütiges allgemeines Aufwärmen
  • Dehnposition entspricht Maximalposition, Erweiterung kontinuierlich, jederzeitiges Beachten der Schmerzgrenze
  • Langsames Einnehmen der Dehnposition und Halten von mind. 10 Sekunden, um Dehnreflex auszuschalten
  • Ruhiges Atmen, was zu synchronisieren wäre
  • Dehnen der zu „Verkürzung“ neigenden Muskeln (i.d.R. Muskulatur im Bereich der Halswirbelsäule, großer und kleiner Brustmuskel, Muskeln im Lendenbereich, Hüftbeuger, birnenförmiger Muskel, vordere und hintere Oberschenkelmuskeln, innere Oberschenkelmuskeln, Spanner der Oberschenkelbinde, Waden)
  • Anpassen des Dehnprogramms an Sportart und Intensität
  • Jederzeitiges Beachten/Dehnen des Antagonisten des Zielmuskels im Hinblick auf v.a. muskuläre Dysbalancen
  • Behutsames oder kein Dehnen bei Muskelkater oder nach intensiven Belastungen
  • Dynamisches Dehnen vor dem (und beim) Sport, nach dem Sport oder an Ruhetagen auch statisch

Die effektivste Dehnmethode gibt es bis dato nicht. Dehnen ist kein Muss, aber ein Kann. Nur wenn Dehnen, dann bitte entsprechend den Gegebenheiten angepasst.

Bleib schmerzfrei, mobil und BEWECT 🙂

BEWECTe Grüße
Dein Benjamin

Quellen:

Albrecht K., Meyer, St.: Stretching und Beweglichkeit. Haug. 2014.http://www.fitforfun.de/sport/fitness-studio/thema-des-tages/richtig-dehnen-die-besten-tipps-fuers-stretching_aid_8927.htmlhttp://www.runnersworld.de/training/dehnuebungen.261084.htmhttps://egym.com/de/magazin/trainingstipps/dehnen/http://www.der-fitnessberater.de/beweglichkeit-stretching.htmlhttp://www.der-fitnessberater.de/stretching.html