Durch meine Tätigkeit als Personal Trainer begegnen mir oft Aussagen von Kunden, welche längst überholt oder schlicht und ergreifend nicht korrekt sind. Deshalb möchte ich im heutigen Beitrag mit den neun größten Mythen im Fitnessbereich aufräumen.

#1 Die Fettverbrennung setzt erst nach 30 Minuten ein

Fett verbrennt man ab dem ersten Schritt, jedoch ist der relative Anteil anfangs noch geringer. Dieser steigt mit zunehmender Belastungsdauer an, z.B. während eines ruhigen Dauerlaufs über 60 Minuten. In diesem gemäßigten Tempo werden Fette am besten mit viel Sauerstoff verstoffwechselt (aerobe Energiegewinnung).

Je härter die Einheit – was mit einer geringeren Belastungsdauer einhergeht – desto mehr Kohlenhydrate und dementsprechend weniger Fette werden verstoffwechselt. Fehlt jedoch Sauerstoff bzw. steht nicht genug zur Verfügung, entsteht bei der Kohlenhydrat-Verstoffwechselung Laktat, sprich Milchsäure (anaerobe Energiegewinnung). Der Anteil der anaeroben Energiebereitstellung ist zwischen einer Belastungsdauer von 20 und 60 Sekunden am höchsten, die hohe Intensität natürlich vorausgesetzt.

#2 Der Kalorienverbrauch ist bei gemäßigten Einheiten am höchsten

Zumeist werden hier Fettstoffwechsel und Kalorienverbrauch verwechselt. Relativ mag im moderaten Training mehr Fett verbrannt werden, nur am Ende des Tages zählt die Gesamtkalorienmenge und diese kann bei einer intensiven Einheit absolut höher liegen als bei einem ruhigen Dauerlauf. Zudem darf der Nachbrenneffekt nicht vernachlässigt werden, welcher bei einer intensiven Einheit signifikant höher ausfällt.

#3 Magnesium hilft gegen Krämpfe beim Sport

Diese Annahme hält sich wegen der Beteiligung an der neuromuskulären Erregungsleitung und –weiterleitung von Magnesium, es gibt dafür jedoch kaum eindeutige Beweise. Magnesium hemmt die Erregbarkeit der Muskeln. Bei Krämpfen in der Nacht kann Magnesium in Kombination mit Eiweiß das Mittel der Wahl sein.

Beim Sport werden jedoch viele Elektrolyte ausgeschwitzt, durch dessen Mangel die Krämpfe im entsprechenden Muskel entstehen. Insbesondere verliert der Körper u.a. Natrium, was ggf. über ein Getränk (kohlenhydrathaltig) mit einer Prise Kochsalz erneut aufgenommen werden kann. Pures Wasser, insb. mineralarmes, kann zu weiterem Elektrolytmangel führen. Akutes Mittel gegen Krämpfe ist eine vorsichtige Dehnung.

#4 Dehnen dient als Verletzungsprohylaxe

Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Dehnen vor Verletzungen schützt. Für die Beweglichkeit ist es auf alle Fälle gut. Ob es nun förderlich ist, vor oder nach dem Sport zu dehnen, kommt auf die jeweilige Sportart an. Ein Athlet, der schnellkräftige Bewegungen ausführen muss, wie z.B. ein Sprinter oder Ballsportler, dehnt eher dynamisch mit schwingenden oder federnden Bewegungen. Der Muskel soll für die nachfolgende Sportart aktiviert werden. Stattdessen wird ein Sportler, welcher einen großen Bewegungsradius benötigt, wie z.B. Turner oder teilweise Kampfsportler, eher statisch dehnen. Jedoch auch eher kurz, um den Muskel nicht zu sehr zu entspannen.

Nach dem Sport dagegen kommt es auf die Intensität der Belastung an. War diese recht hoch, ist es eher kontraproduktiv zu dehnen, da die Mikrorisse in den Muskelfasern (=Muskelkater) somit noch forciert werden. Hier ist es besser, eher ausgiebig an einem Ruhetag zu dehnen. Nach einer ruhigen Einheit spricht nichts gegen ein Dehnprogramm.

#5 Bewegung hilft (nicht) gegen Muskelkater

Um grundsätzlich den Muskelkater abzuschwächen, ist Kälte sofort nach intensiver Belastung am besten, sprich „Eistonne“ oder mit kaltem Wasser abbrausen. Dadurch zieht sich das Gewebe zusammen und die kleinen Entzündungen im Muskel (=Mikrotraumata) werden eingedämmt. Hier hilft in keinem Fall Dehnen und/oder Sauna.

Wenn man sich teilweise erholt hat (entsprechend der Belastung), in der Regel ein oder zwei Tage später, kann ein lockeres bzw. sanftes Training die Stoffe schneller abbauen, die durch die kleinen Entzündungen entstanden sind. In der Folge ist dann auch erneut Wärme und Dehnen zweckmäßig.

#6 Sport hilft beim Abnehmen

Dies kann per allgemeingültiger Aussage nicht bestätigt werden. Entscheidend für den Gewichtsverlust bzw. Fettreduktion ist weiterhin eine negative Energiebilanz. Diese kann durch eine verminderte Nahrungsaufnahme, einen erhöhten Energieverbrauch mittels Sport oder eine Kombination aus beidem erreicht werden. Letztendlich lässt sich das Ganze kurz auf den Punkt bringen: die Ernährung spielt mit 70-80% die Hauptrolle, die restlichen 20-30% die Bewegung, um den Kilos den Kampf anzusagen.

#7 Zur Gewichtsabnahme sollte vor und nach dem Training nichts gegessen werden

Gegen den klassischen Vorfrühstückslauf (=Nüchternlauf) ist zwar nichts einzuwenden, aber bitte in moderatem Tempo und individuell angepasst, falls kein Leistungssportler mit Erfahrung. Da die Kohlenhydratspeicher am Morgen signifikant entleert sind, wird hier vermehrt die Fettverbrennung angestoßen. Jedoch ist hier Vorsicht geboten, da es nach einer kompletten Entleerung der Glykogenspeicher zur Unterzuckerung kommen kann, sprich berühmter Hungerast.

Ebenso ist es nach dem Training enorm wichtig, dem Körper Proteine und Kohlenhydrate zur schnellen Regeneration zu geben, um die Aufbau- und Reparaturprozesse sofort in Gang zu bekommen. Zwar reduzieren die Kohlenhydrate die Fettverbrennung, jedoch kann besser bei anderen Mahlzeiten dafür eher gespart werden, wenn es ums Abnehmen geht.

#8 Laufen ist schlecht für die Gelenke

Was stimmt: Beim Laufen müssen die Gelenke das 2- bis 3-fache des Körpergewichts aushalten. Das schafft jedoch unser Körper unter Normalgewicht in der Regel ohne Probleme. Weiter schützt das Laufen die Gelenke eher, da es die Produktion von Gelenkflüssigkeit (=Synovia) fördert. Dadurch wird wiederum der Knorpel besser mit Nährstoffen versorgt. Zudem fördert es den Muskelaufbau, was die Gelenke zusätzlich entlasten kann.

Bei abrupten starken Belastungen im Anfängerbereich oder bei Fehlstellungen muss der Sachverhalt differenzierter gesehen werden. Hier gilt: angepasst und bedarfsgerecht trainieren und mit Köpfchen das Training progressiv steigern. Bei starkem Übergewicht wird in der Tat empfohlen, zunächst mit dem Walken zu beginnen.

#9 Die Knie dürfen bei der Kniebeuge nicht vor die Zehenspitzen

Wenn jemand gesund und normal beweglich ist, kann dieser die komplette Kniebeuge ausführen – so wie er es als Kleinkind schon konnte. Das Hinhocken ist eine natürliche Bewegung, welche man vor allem bei den Naturvölkern Afrikas oftmals sieht. Dort hat auch niemand mit Rückenschmerzen zu kämpfen. Warum letzteres eine Rolle spielt, erkennt man bei komplexerer Betrachtung der Kniebeuge.

In einer Studie der University of Memphis, Tennessee (Fry, Smith, Schilling (2003): Effect of Knee Position on Hip and Knee Torques During the Barbell Squat) wird das Thema und die Biomechanik genauer beleuchtet. Aus den Ergebnissen wird klar, dass das Drehmoment bei der unlimitierten Kniebeuge (Knie über Zehenspitzen) etwas höher als in der limitierten Kniebeuge (Knie nicht über Zehenspitzen) ist. Jedoch ist das Drehmoment im Hüftgelenk bei der limitierten Kniebeuge 10-fach höher als bei der unlimitierten Kniebeuge. Folglich ist die Belastung entweder eher auf die Knie verlagert oder durch übermäßiges Vorlehnen des Oberkörpers auf den unteren Rücken und die Wirbelsäule. Bei einer optimal ausgeführten Kniebeuge wird die Belastung auf Knie und Rücken bedarfsgerecht verteilt.

Und selbstverständlich lese ich gerne deine Kommentare und Erfahrungen dazu. Schreib mir einfach. Ebenso wenn sich aus diesem Beitrag Fragen für dich ergeben.

Bleib schmerzfrei, mobil und BEWECT 🙂

BEWECTe Grüße
Dein Benjamin