In den letzten zwei Jahren haben mehr und mehr Menschen das Laufen für sich entdeckt, auch weil es Spaß macht und schnell ein Erfolg zu spüren und sehen ist. Im Blog-Beitrag Trainingstipps – Mache mehr aus deinem Lauf aus dem letzten Jahr hatte ich bereits über natürliches Laufen und Lauftechnik berichtet sowie Anfängertipps und Trainingsprinzipien beschrieben. Im Folgenden möchte ich dir weitere nachhaltige Lauftipps für mehr Spaß und Erfolg geben.
Evolution – Innovation – Inspiration
Die Entwicklung zum aufrechten Gang war ein Schlüsselereignis in der Menschheitsgeschichte, was diverse Vorteile mit sich brachte. Ungefähr 3,5 Millionen Jahre alte Fußspuren von Laetoli im Norden von Tansania und Hadar in Äthiopien, die dem Australopithecus afarensis zugeschrieben werden, weisen darauf hin. Leider entwickelten wir uns im Zeitverlauf – vor allem die letzten Jahrzehnte – eher vom Laufathleten zum Sitzkrieger. Wir bewegen uns aus verschiedenen Gründen immer weniger.
Laufen ist jedoch eine ganz natürliche Fortbewegungsart des Menschen. Schon unsere Vorfahren waren täglich zwischen 15 und 30 Kilometer auf den Beinen unterwegs. Heutzutage kaum vorstellbar, wenn man nicht gerade für einen (Halb-)Marathon trainiert. Eine Hausfrau legt ggf. die oftmals empfohlenen 10.000 Schritte pro Tag (ca. 7km) zurück, ein Büroarbeiter im Durchschnitt nur ca. 1.500 Schritte (ca. 1km).
Die Innovation Laufen begeisterte ungefähr Mitte des letzten Jahrhunderts einige Menschen. Bereits in den 50er Jahren propagierte der deutsche Arzt Ernst van Aaken (1910-1984) das Jogging in Deutschland. Der neuseeländische Trainer Arthur Lydiard (1917-2004) gilt als Erfinder des Joggings, da er der Erste war, der das Laufen vom Wald bzw. dem Sportplatz auf die Straße brachte. Er gründete 1961 den ersten Jogging-Club. Ebenso fanden die Trainingsmethoden Dauerlauf und Intervalle erste Abnehmer.
Der US-amerikanische Läufer, Leichtathletik-Coach und Konstrukteur Bill Bowerman (1911-1999) brachte 1962 die Idee nach einem Besuch in Neuseeland in die USA, von wo aus die Jogging-Bewegung sich in der ganzen Welt verbreitete. Er war auch an der Gründung des Sportartikel-Herstellers Nike beteiligt und entwarf unter anderem den heutigen Retro-Schuh Cortez.
Um die Jahrtausendwende brach ein regelrechter Laufboom aus. Organisatoren von Laufveranstaltungen konnten sich vor Anmeldungen kaum retten. Ein paar Jahre später ging dieser in den Triathlonboom über, welcher sogar noch anhält. Früher noch Exoten wuchsen Vorbilder auf Kurz- und Langstrecke heran und motivierten zudem. Auch der gesundheitliche Aspekt des Laufens wurde von vielen Menschen gesehen – falls man es nicht übertreibt. Doch nichtsdestotrotz ist dieser Anteil der Laufathleten, der sich des Laufens erfreut, im Vergleich zu den Sitzkriegern doch gering.
Der perfekte Laufstil
Gibt es den perfekten Laufstil überhaupt? Viele haben bereits darüber philosophiert, zahlreiche Artikel gibt es dazu. Vorfuß, Mittelfuß, Rückfuß – was ist nun richtig. Den Musterweg bzw. Musterlaufstil gibt es wohl nicht: Dein Laufstil ist so individuell wie deine Kleidung, Haarfarbe und Größe. Erst wenn du ggf. eine bekannte Dysbalance oder orthopädische Schwierigkeiten hast, solltest du vielleicht über Anpassung deines Laufstils nachdenken. Aber auch Athletik- oder spezielles Krafttraining kann bereits Abhilfe schaffen.
Jedoch ist ein optimaler Laufstil ökonomisch, energiesparend und effizient. Dabei geht es nicht unbedingt um Ästhetik, sondern eher um die Frage, ob durch eine ungünstige Lauftechnik unnötig Energie verschwendet wird. Eine grazile, leicht aussehende Bewegung ist eher Nebenprodukt eines exzellenten Laufstils. Ein perfekter Laufstil wirkt wie der einer Gazelle – leicht, fließend und elegant.
Im Blog-Beitrag Trainingstipps – Mache mehr aus deinem Lauf habe ich dir bereits die Laufbewegung mit den wichtigsten und beachtenswertesten Punkten beschrieben. Die Laufphasen untergliedern sich in Schwungphase, Landephase, Stützphase, Abdruckphase. Jedoch gibt es beim Laufen bestimmte Elemente unseres Bewegungsmusters, die du – oft durch stark gedämpfte Laufschuhe – falsch erlernst und dann unterbewusst verankerst. Die letzten Jahre hatte die Laufschuhindustrie erfreulicherweise zum Teil ein Einsehen.
Durch u.a. Lauf-ABC-Übungen und mehr Bewusstsein beim Laufen lassen sich aber ungünstige Angewohnheiten wieder verlernen und für einen selbst der optimale Laufstil erarbeiten und nachhaltig gestalten. Lauf-ABC-Übungen wie Kniehebe- oder Hopserlauf, Anfersen oder Fußgelenksarbeit, sind gut investierte Zeit bevor du in deinen Lauf startest. Damit wird dein Laufstil ökonomischer und effizienter.
Muskelfasern – Sprinter oder Langstreckler
Das Sarkomer ist die kleinste funktionelle Einheit der Muskelfibrille bestehend aus drei kontraktilen Proteinfäden (Filamente: Aktin, Myosin, Titin). Die Z-Scheiben begrenzen die einzelnen Sarkomere. Genau hier entsteht auch Muskelkater, wobei nach hartem Training kleine Mikrotraumata/ Risse entstehen, die sich auch wieder vollständig reparieren.
Bei den Muskelfasertypen gibt es grundsätzlich zwei Arten, zudem noch einen intermediären Typ, auf den hier jedoch nicht weiter eingegangen wird:
- Muskelfasertyp 1 (Slow Twitch oder ST Fasern): langsam zuckend
- Muskelfasertyp 2 (Fast Twitch oder FT Fasern): schnell zuckend, Typ 2a (intermediär) und Typ 2b
Jeder Mensch hat eine unterschiedliche Verteilung dieser Muskelfasertypen, was teilweise genetisch bedingt ist. Wenn du mehr Muskelfasern vom Typ 1 hast, dann wirst du eher der Langstreckler sein. Ist es andersherum, dann bist du eher zum Sprinter geboren. Durch sportliches Training kannst du jedoch bedingt Einfluss darauf nehmen. Hier kommt das Prinzip der biologischen Anpassung zum Tragen, sprich auf metabolischer (Stoffwechsel betreffend) und morphologischer (Körper betreffend) Ebene.
Mehr zu Trainingsprinzipien und zum Superkompensationseffekt findest du im bereits genannten Blog-Beitrag Trainingstipps – Mache mehr aus deinem Lauf. Bei der Superkompensation stellt dein Körper nach einer Trainingsbelastung nicht nur die Bereitschaft zur Erbringung des gleichen Leistungsniveaus wieder her, sondern steigert im Verlauf der Regeneration die Leistungsfähigkeit über das ursprüngliche Niveau hinaus.
Trainingssteuerung: Maßstab im Training
Wahrscheinlich fragst du dich nun, woran du dich im Training orientieren kannst. Die einfachste Form ist dein Gefühl. Es schult deine Wahrnehmung und dein Körpergefühl. Ein Test für das Wohlfühltempo ist ganz einfach: Sprechtest. Kannst du noch vollständige Sätze sprechen, dann bist du in einem für dich gemäßigten Tempo unterwegs. Sowohl für Anfänger wie auch für Fortgeschrittene sind mind. 25% deiner Läufe nach Gefühl durchzuführen.
Um deine Leistung genauer zu überprüfen, bietet sich die Herzfrequenz an. In der heutigen Zeit tracken nicht nur Läufer ihre Herzfrequenz. Gute Laufuhren sind nicht teuer und bieten mittlerweile viel mehr als nur die Herzfrequenzmessung. Auch wenn viele der Uhren bereits eine Messung am Handgelenk durchführen, ist die genaueste Variante immer noch mit Brustgurt. Ausgangspunkt für die Messung ist die maximale Herzfrequenz.
Ambitionierte Läufer benutzen für ihr Training Laufsensoren oder GPS, um ihre Läufe zu überprüfen. Es wird sowohl nach Herzfrequenz gelaufen, jedoch ebenso nach Zeitvorgaben. Spricht der Kollege wieder mal vom 5er-Schnitt, meint dieser, dass er pro Kilometer 5 Minuten läuft.
Maximale Herzfrequenz
Für die Bestimmung der maximalen Herzfrequenz gibt es verschiedene Methoden. Die einfachste ist das Benutzen einer Formel. Hier gibt es jedoch sehr viele verschiedene, wobei alle ungefähr bei ähnlichen Werten liegen. Eine einfache Formel lautet:
- 226 – Lebensalter (Frauen)
- 220 – Lebensalter (Männer)
Da jedoch die maximale Herzfrequenz etwas sehr Individuelles ist, wäre es nicht ungewöhnlich, wenn sich die tatsächlich gemessenen Werte von zwei konstitutionell gleichen Personen um 20 bis 30 Schlägen unterscheiden. Für den Vergleich der Leistungsfähigkeit ist hier der Ruhepuls ein besserer Maßstab.
Professioneller kannst du deine maximale Herzfrequenz mit einem Belastungs-EKG bestimmen oder bestenfalls gleich mit einer Leistungsdiagnostik. Letzteres ist zum Beispiel mit einem Laktatstufentest oder mit einer Spiroergometrie möglich.
Bei diesen Diagnostiken wird auch die anaerobe Schwelle (ANS) bestimmt, auch als Laktatschwelle bezeichnet. Der Begriff aus der Sportphysiologie bezeichnet die höchstmögliche Belastungsintensität, welche du gerade noch unter Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes zwischen Bildung und Abbau von Laktat erbringen kannst. Hier sind ebenso Sauerstoffangebot und -verbrauch in deinen Körperzellen gerade noch ausgeglichen.
In der Grafik ist sehr gut zu sehen, dass die Person mit Kurve b eine größere Laktattoleranz hat als Person mit Kurve a. Letztendlich könnten beide Kurven auch von ein und derselben Person stammen, nur mit zeitlichem Abstand von z.B. einer Trainingsperiode von 10 Wochen. Ein Ziel des Trainings ist es also, deine Laktatkurve zu verschieben, sprich bei höherem Tempo bzw. höherer Leistung später die ANS zu erreichen.
Wenn du nun deine maximale Herzfrequenz kennst, kannst du deine Trainingsbereiche bestimmen und so einen individuellen Trainingsplan erstellen. Je nach Motiv deines Laufes bestimmst du deine Trainingsintensität und erzielst vernünftig geplant entsprechendes Resultat. Die folgende Grafik zeigt die Trainingsintensitäten mit altersabhängigen Herzfrequenz-Grenzwerten. Links zeigen sich die verschiedenen Tempi von Läufen.
Belastungsnormative
Mit den Belastungsnormativen, auch Belastungskomponenten oder –merkmale bezeichnet, wird die Struktur eines Trainings beschrieben, d.h. wie intensiv, wie umfangreich und mit welchen Pausen wird das Training durchgeführt. Die bedeutendsten sind nachfolgend genannt:
- Reizintensität: Stärke/Höhe eines Reizes, z.B. km/h, kg, Watt, min/kmim Ausdauersport: z.B. Herzfrequenz (HF/min), min/km
- Reizdauer: Zeit oder Strecke, in der Trainingsinhalt als Reiz wirktim Ausdauersport: z.B. 20min Dauerlauf
- Reizdichte: zeitliches Verhältnis von Belastungs- und Erholungsphase pro Trainingseinheitim Ausdauersport: z.B. Dauerlauf 1:0, Intervallmethode z.B. 1:0,5
- Reizhäufigkeit: Anzahl der Reize im Verlauf des Trainingsim Ausdauersport: z.B. Dauerlauf =1, Anzahl Intervalle bei Intervallmethode
- Reizumfang: Gesamtmenge aller Belastungen in Trainingseinheit ohne Pausenim Ausdauersport: z.B. Strecke in m bei Dauerlauf, Anzahl Wiederholungen mal Zeit bei Intervallmethode
- Trainingshäufigkeit: Anzahl der Trainingseinheiten (TE)im Ausdauersport: z.B. Anfänger 2-3 TE/Woche
Jedes der Belastungsnormative ist ein wichtiger Baustein, um ein leistungsorientiertes Training aufzubauen. Fange erst damit an, die Reizdauer oder Reizumfang zu steigern, danach die Trainingshäufigkeit und zuletzt die weiteren genannten Belastungsnormativen.
Trainingsmethoden im Ausdauersport
Die Trainingsmethoden des Ausdauertrainings stehen immer in engem Zusammenhang damit, was trainiert werden soll. Da die Ausdauerfähigkeit sehr vielschichtig ist, können mit einer Trainingsmethode bereits mehrere Trainingsziele erreicht werden. Je nachdem ob Pausen integriert werden, können sich aber auch die Trainingsziele ändern.
Die Dauermethode mit kontinuierlicher Geschwindigkeit oder mit wechselnder Geschwindigkeit sowie die Intervallmethode habe ich dir bereits im Blog-Beitrag Trainingstipps – Mache mehr aus deinem Lauf erklärt. Die weiteren Methoden stellen die Wiederholungsmethode sowie die Wettkampf- und Kontrollmethode dar, welche eher leistungssportlichen Charakter haben.
Die Wiederholungsmethode zeichnet sich durch intensive Belastungsphasen bis zum Maximum und einer je Belastung darauf folgenden vollständigen Pause aus. Hier gehst du bewusst in den anaeroben Bereich und trainierst das Erhalten der Wettkampfgeschwindigkeit.
Bei der Wettkampf- und Kontrollmethode legst du wettkampftypisches Verhalten und Tempo an den Tag, so z.B. in einem Testwettkampf oder auch im Training ohne Wettkampf. Durch diese Form entwickelst du deine wettkampfspezifische Ausdauer und überprüfst deine Wettkampfform.
Alternativtraining sowie aktive und passive Regeneration
Jeder Sport ist einseitig, vor allem wenn man diesen auf einem gewissen Leistungsniveau ausübt. Deshalb ist es umso wichtiger, unterstützende Trainingsmaßnahmen und Alternativtrainings in deinen Plan aufzunehmen. Grundsätzlich solltest du jederzeit an deiner Athletik arbeiten. Hierzu zählen u.a. Lauf-ABC-Übungen, Ganzkörpertraining, Rumpfkräftigung, Funktionelles Training, Stabilisationstraining und Barfußgehen/-laufen.
Dies hat folgende Vorteile:
- Essentiell zur Verletzungsprophylaxe
- Ökonomisierung deiner Bewegungsabläufe
- Stärkung deines aktiven/passiven Bewegungsapparats
Für die aktive Regeneration bietet sich Alternativtraining an, z.B. Radfahren, Schwimmen oder (Aqua-)Gymnastik. Zudem u.a. Myofasziales Training, Yoga, Qi Gong, Entspannungstraining wie Progressive Muskelrelaxation oder Atemtechniken sowie Meditation.
In unserer Leistungs- und Optimierungsgesellschaft sowie durch die Informationsflut wird die passive Regeneration immer wichtiger. Ein wärmendes Bad oder die entspannende Sauna, genauso wohltuend wie eine Massage. Daneben kommt der Ernährung und ausreichendem Schlaf enorme Bedeutung zu. Wenn du dich sportlich betätigst, benötigt dein Körper einen höheren Anteil an Nährstoffen und ebenso vermehrt Schlaf.
Umgang mit Verletzungen
Eines der ärgerlichsten Dinge, die passieren können, ist eine Verletzung. Oftmals kommt diese zum ungünstigsten Zeitpunkt und manchmal auch, weil man es im Training etwas übertrieben hat. Deshalb achte bewusst auf deinen Körper und berücksichtige jegliche körperliche Warnsignale.
Zu den häufigsten Bein- und Fußverletzungen gehören:
- Achillessehnenreizung
- Shin Splints (Schienbeinkantensyndrom)
- Iliotialbandsyndrom (ITB-Syndrom)
- Piriformis-Syndrom
Im Blog-Beitrag Fuß- und Beinverletzungen von Läufern sowie Therapie und Vorbeugung werden noch mehr Krankheitsbilder erklärt sowie Ursache, Schmerzzentrum, kurative und präventive Behandlung dargestellt. Im Falle des Falles reduziere entsprechend dein Lauftraining – zur Not auch komplette Laufpause – steige auf sinnvolles Alternativtraining um und habe Geduld mit deinem Genesungsprozess.
In diesem Sinne… Bleib schmerzfrei, mobil und BEWECT 🙂
BEWECTe Grüße
Dein Benjamin
Quellen
Dr. Matthias Marquardt: Die Laufbibel. Spomedis. 2021.
Hubert Beck: Das große Buch vom Marathon. Copress Sport. 2010.
Larsen, Zürcher, Altmann: Medical Running. Trias. 2019.
Ingo Froböse: Leistung messen und steigern. Gräfe und Unzer. 2018.
https://www.runnersworld.de/
Bilder
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